(Sie pfluckt eine
Sternblume
und zupft die Blatter ab, eins nach dem
andern.
andern.
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
MARTHE:
Ach, Ihr versteht mich nicht!
MEPHISTOPHELES:
Das tut mir herzlich leid! Doch ich versteh- dass Ihr sehr gutig seid.
(Gehn voruber. )
FAUST:
Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,
Gleich als ich in den Garten kam?
MARGARETE:
Saht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder.
FAUST:
Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm?
Was sich die Frechheit unterfangen,
Als du jungst aus dem Dom gegangen?
MARGARETE:
Ich war besturzt, mir war das nie geschehn;
Es konnte niemand von mir Ubels sagen.
Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen
Was Freches, Unanstandiges gesehn?
Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,
Mit dieser Dirne gradehin zu handeln.
Gesteh ich's doch! Ich wusste nicht, was sich
Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte;
Allein gewiss, ich war recht bos auf mich,
Dass ich auf Euch nicht boser werden konnte.
FAUST:
Suss Liebchen!
MARGARETE:
Lasst einmal!
(Sie pfluckt eine Sternblume und zupft die Blatter ab, eins nach dem
andern. )
FAUST:
Was soll das? Einen Strauss?
MARGARETE:
Nein, es soll nur ein Spiel.
FAUST:
Wie?
MARGARETE:
Geht! Ihr lacht mich aus.
(Sie rupft und murmelt. )
FAUST:
Was murmelst du?
MARGARETE (halblaut):
Er liebt mich- liebt mich nicht.
FAUST:
Du holdes Himmelsangesicht!
MARGARETE (fahrt fort):
Liebt mich- nicht- liebt mich- nicht-
(Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude. )
Er liebt mich!
FAUST:
Ja, mein Kind! Lass dieses Blumenwort Dir Gotterausspruch sein. Er liebt
dich!