Ich sag dir's im
Vertrauen
nur:
Du bist doch nun einmal eine Hur,
So sei's auch eben recht!
Du bist doch nun einmal eine Hur,
So sei's auch eben recht!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
GRETCHEN (am Fenster):
Herbei ein Licht!
MARTHE (wie oben):
Man schilt und rauft, man schreit und ficht.
VOLK:
Da liegt schon einer tot!
MARTHE (heraustretend):
Die Morder, sind sie denn entflohn?
GRETCHEN (heraustretend):
Wer liegt hier?
VOLK:
Deiner Mutter Sohn.
GRETCHEN:
Allmachtiger! welche Not!
VALENTIN:
Ich sterbe! das ist bald gesagt
Und balder noch getan.
Was steht ihr Weiber, heult und klagt?
Kommt her und hort mich an!
(Alle treten um ihn. )
Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung,
Bist gar noch nicht gescheit genung,
Machst deine Sachen schlecht.
Ich sag dir's im Vertrauen nur:
Du bist doch nun einmal eine Hur,
So sei's auch eben recht!
GRETCHEN:
Mein Bruder! Gott! Was soll mir das?
VALENTIN:
Lass unsern Herrgott aus dem Spass!
Geschehn ist leider nun geschehn
Und wie es gehn kann, so wird's gehn.
Du fingst mit einem heimlich an
Bald kommen ihrer mehre dran,
Und wenn dich erst ein Dutzend hat,
So hat dich auch die ganze Stadt.
Wenn erst die Schande wird geboren,
Wird sie heimlich zur Welt gebracht,
Und man zieht den Schleier der Nacht
Ihr uber Kopf und Ohren;
Ja, man mochte sie gern ermorden.
Wachst sie aber und macht sich gross,
Dann geht sie auch bei Tage bloss
Und ist doch nicht schoner geworden.
Je hasslicher wird ihr Gesicht,
Je mehr sucht sie des Tages Licht.
Ich seh wahrhaftig schon die Zeit,
Dass alle brave Burgersleut,
Wie von einer angesteckten Leichen,
Von dir, du Metze! seitab weichen.
Dir soll das Herz im Leib verzagen,
Wenn sie dir in die Augen sehn!
Sollst keine goldne Kette mehr tragen!
In der Kirche nicht mehr am Altar stehn!
In einem schonen Spitzenkragen
Dich nicht beim Tanze wohlbehagen!