Mochte selbst solch einen Herren kennen,
Wurd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
Wurd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
MEPHISTOPHELES:
Euch ist kein Mass und Ziel gesetzt.
Beliebt's Euch, uberall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seid nicht blode!
FAUST:
Du horest ja, von Freud' ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuss,
Verliebtem Hass, erquickendem Verdruss.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen kunftig sich verschliessen,
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst geniessen,
Mit meinem Geist das Hochst' und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen haufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern.
MEPHISTOPHELES:
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut
Dass von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
Glaub unsereinem, dieses Ganze
Ist nur fur einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew'gen Glanze
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
FAUST:
Allein ich will!
MEPHISTOPHELES:
Das lasst sich horen! Doch nur vor einem ist mir bang:
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dacht, ihr liesset Euch belehren.
Assoziiert Euch mit einem Poeten,
Lasst den Herrn in Gedanken schweifen,
Und alle edlen Qualitaten
Auf Euren Ehrenscheitel haufen,
Des Lowen Mut,
Des Hirsches Schnelligkeit,
Des Italieners feurig Blut,
Des Nordens Dau'rbarkeit.
Lasst ihn Euch das Geheimnis finden,
Grossmut und Arglist zu verbinden,
Und Euch, mit warmen Jugendtrieben,
Nach einem Plane zu verlieben.
Mochte selbst solch einen Herren kennen,
Wurd ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
FAUST:
Was bin ich denn, wenn es nicht moglich ist,
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen?
MEPHISTOPHELES:
Du bist am Ende- was du bist.
Setz dir Perucken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuss auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.
FAUST:
Ich fuhl's, vergebens hab ich alle Schatze
Des Menschengeists auf mich herbeigerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit hoher,
Bin dem Unendlichen nicht naher.
MEPHISTOPHELES:
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir mussen das gescheiter machen,
Eh uns des Lebens Freude flieht.
Was Henker! freilich Hand und Fusse
Und Kopf und Hintern, die sind dein;
Doch alles, was ich frisch geniesse,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
Sind ihre Krafte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
Als hatt ich vierundzwanzig Beine.
Drum frisch! Lass alles Sinnen sein,
Und grad mit in die Welt hinein!
Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert,
Ist wie ein Tier, auf durrer Heide
Von einem bosen Geist im Kreis herum gefuhrt,
Und rings umher liegt schone grune Weide.
FAUST:
Wie fangen wir das an?
MEPHISTOPHELES:
Wir gehen eben fort. Was ist das fur ein Marterort?