Der Trodel, der mit
tausendfachem
Tand
In dieser Mottenwelt mich dranget?
In dieser Mottenwelt mich dranget?
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen;
Hab ich die Kraft dich anzuziehn besessen,
So hatt ich dich zu halten keine Kraft.
In jenem sel'gen Augenblicke
Ich fuhlte mich so klein, so gross;
Du stiessest grausam mich zurucke,
Ins ungewisse Menschenlos.
Wer lehret mich? was soll ich meiden?
Soll ich gehorchen jenem Drang?
Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden,
Sie hemmen unsres Lebens Gang.
Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
Drangt immer fremd und fremder Stoff sich an;
Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,
Dann heisst das Bessre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefuhle
Erstarren in dem irdischen Gewuhle.
Wenn Phantasie sich sonst mit kuhnem Flug
Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,
Wenn Gluck auf Gluck im Zeitenstrudel scheitert.
Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,
Dort wirket sie geheime Schmerzen,
Unruhig wiegt sie sich und storet Lust und Ruh;
Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,
Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,
Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;
Du bebst vor allem, was nicht trifft,
Und was du nie verlierst, das musst du stets beweinen.
Den Gottern gleich ich nicht! zu tief ist es gefuhlt;
Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwuhlt,
Den, wie er sich im Staube nahrend lebt,
Des Wandrers Tritt vernichtet und begrabt.
Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand
Aus hundert Fachern mit verenget?
Der Trodel, der mit tausendfachem Tand
In dieser Mottenwelt mich dranget?
Hier soll ich finden, was mir fehlt?
Soll ich vielleicht in tausend Buchern lesen,
Dass uberall die Menschen sich gequalt,
Dass hie und da ein Glucklicher gewesen? -
Was grinsest du mir, hohler Schadel, her?
Als dass dein Hirn, wie meines, einst verwirret
Den leichten Tag gesucht und in der Dammrung schwer,
Mit Lust nach Wahrheit, jammerlich geirret.
Ihr Instrumente freilich spottet mein,
Mit Rad und Kammen, Walz und Bugel:
Ich stand am Tor, ihr solltet Schlussel sein;
Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.
Geheimnisvoll am lichten Tag
Lasst sich Natur des Schleiers nicht berauben,
Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.
Du alt Gerate, das ich nicht gebraucht,
Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.
Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
Solang an diesem Pult die trube Lampe schmauchte.
Weit besser hatt ich doch mein Weniges verprasst,
Als mit dem Wenigen belastet hier zu schwitzen!
Was du ererbt von deinen Vatern hast,
Erwirb es, um es zu besitzen.
Was man nicht nutzt, ist eine schwere Last,
Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nutzen.
Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?
Ist jenes Flaschchen dort den Augen ein Magnet?
Warum wird mir auf einmal lieblich helle,
Als wenn im nacht'gen Wald uns Mondenglanz umweht?
Ich grusse dich, du einzige Phiole,
Die ich mit Andacht nun herunterhole!