Indes ihr Komplimente drechselt,
Kann etwas Nutzliches geschehn.
Kann etwas Nutzliches geschehn.
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
LUSTIGE PERSON:
So braucht sie denn, die schonen Krafte
Und treibt die dichtrischen Geschafte
Wie man ein Liebesabenteuer treibt.
Zufallig naht man sich, man fuhlt, man bleibt
Und nach und nach wird man verflochten;
Es wachst das Gluck, dann wird es angefochten
Man ist entzuckt, nun kommt der Schmerz heran,
Und eh man sich's versieht, ist's eben ein Roman.
Lasst uns auch so ein Schauspiel geben!
Greift nur hinein ins volle Menschenleben!
Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt,
Und wo ihr's packt, da ist's interessant.
In bunten Bildern wenig Klarheit,
Viel Irrtum und ein Funkchen Wahrheit,
So wird der beste Trank gebraut,
Der alle Welt erquickt und auferbaut.
Dann sammelt sich der Jugend schonste Blute
Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,
Dann sauget jedes zartliche Gemute
Aus eurem Werk sich melanchol'sche Nahrung,
Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt
Ein jeder sieht, was er im Herzen tragt.
Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen,
Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;
Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen;
Ein Werdender wird immer dankbar sein.
DICHTER:
So gib mir auch die Zeiten wieder,
Da ich noch selbst im Werden war,
Da sich ein Quell gedrangter Lieder
Ununterbrochen neu gebar,
Da Nebel mir die Welt verhullten,
Die Knospe Wunder noch versprach,
Da ich die tausend Blumen brach,
Die alle Taler reichlich fullten.
Ich hatte nichts und doch genug:
Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug.
Gib ungebandigt jene Triebe,
Das tiefe, schmerzenvolle Gluck,
Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe,
Gib meine Jugend mir zuruck!
LUSTIGE PERSON:
Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls,
Wenn dich in Schlachten Feinde drangen,
Wenn mit Gewalt an deinen Hals
Sich allerliebste Madchen hangen,
Wenn fern des schnellen Laufes Kranz
Vom schwer erreichten Ziele winket,
Wenn nach dem heft'gen Wirbeltanz
Die Nachte schmausend man vertrinket.
Doch ins bekannte Saitenspiel
Mit Mut und Anmut einzugreifen,
Nach einem selbstgesteckten Ziel
Mit holdem Irren hinzuschweifen,
Das, alte Herrn, ist eure Pflicht,
Und wir verehren euch darum nicht minder.
Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,
Es findet uns nur noch als wahre Kinder.
DIREKTOR:
Der Worte sind genug gewechselt,
Lasst mich auch endlich Taten sehn!
Indes ihr Komplimente drechselt,
Kann etwas Nutzliches geschehn.
Was hilft es, viel von Stimmung reden?
Dem Zaudernden erscheint sie nie.
Gebt ihr euch einmal fur Poeten,
So kommandiert die Poesie.
Euch ist bekannt, was wir bedurfen,
Wir wollen stark Getranke schlurfen;
Nun braut mir unverzuglich dran!
Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan,
Und keinen Tag soll man verpassen,
Das Mogliche soll der Entschluss
Beherzt sogleich beim Schopfe fassen,
Er will es dann nicht fahren lassen
Und wirket weiter, weil er muss.
Ihr wisst, auf unsern deutschen Buhnen
Probiert ein jeder, was er mag;
Drum schonet mir an diesem Tag
Prospekte nicht und nicht Maschinen.
Gebraucht das gross, und kleine Himmelslicht,
Die Sterne durfet ihr verschwenden;
An Wasser, Feuer, Felsenwanden,
An Tier und Vogeln fehlt es nicht.
So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schopfung aus,
Und wandelt mit bedacht'ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Holle.
Prolog im Himmel.
Der Herr. Die himmlischen Heerscharen. Nachher Mephistopheles.
Die drei Erzengel treten vor.
RAPHAEL:
Die Sonne tont, nach alter Weise,
In Bruderspharen Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Starke,
Wenn keiner Sie ergrunden mag;
die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.