FAUST:
Du ahnungsvoller Engel du!
Du ahnungsvoller Engel du!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
MARGARETE:
Das ist alles recht schon und gut;
Ungefahr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bisschen andern Worten.
FAUST:
Es sagen's allerorten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
MARGARETE:
Wenn man's so hort, mocht's leidlich scheinen,
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christentum.
FAUST:
Liebs Kind!
MARGARETE:
Es tut mir lange schon weh, Dass ich dich in der Gesellschaft seh.
FAUST:
Wieso?
MARGARETE:
Der Mensch, den du da bei dir hast, Ist mir in tiefer innrer Seele verhasst;
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben
Als des Menschen widrig Gesicht.
FAUST:
Liebe Puppe, furcht ihn nicht!
MARGARETE:
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,
Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
Und halt ihn fur einen Schelm dazu!
Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu!
FAUST:
Es muss auch solche Kauze geben.
MARGARETE:
Wollte nicht mit seinesgleichen leben!
Kommt er einmal zur Tur herein,
Sieht er immer so spottisch drein
Und halb ergrimmt;
Man sieht, dass er an nichts keinen Anteil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Dass er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird's so wohl in deinem Arm,
So frei, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnurt mir das Innre zu.
FAUST:
Du ahnungsvoller Engel du!
MARGARETE:
Das ubermannt mich so sehr,
Dass, wo er nur mag zu uns treten,
Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch, wenn er da ist, konnt ich nimmer beten,
Und das frisst mir ins Herz hinein;
Dir, Heinrich, muss es auch so sein.
FAUST:
Du hast nun die Antipathie!
MARGARETE:
Ich muss nun fort.
FAUST:
Ach kann ich nie Ein Stundchen ruhig dir am Busen hangen
Und Brust an Brust und Seel in Seele drangen?
MARGARETE:
Ach wenn ich nur alleine schlief!
Ich liess dir gern heut nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schlaft nicht tief,
Und wurden wir von ihr betroffen,
Ich war gleich auf der Stelle tot!
FAUST:
Du Engel, das hat keine Not.
Hier ist ein Flaschchen!
Drei Tropfen nur In ihren Trank umhullen
Mit tiefem Schlaf gefallig die Natur.
MARGARETE:
Was tu ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
FAUST:
Wurd ich sonst, Liebchen, dir es raten?
MARGARETE:
Seh ich dich, bester Mann, nur an,
Weiss nicht, was mich nach deinem Willen treibt,
Ich habe schon so viel fur dich getan,
Dass mir zu tun fast nichts mehr ubrigbleibt.
(Ab.