- Welch erbarmlich Grauen
Fasst Ubermenschen dich!
Fasst Ubermenschen dich!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
Ich fuhl's, du schwebst um mich, erflehter Geist
Enthulle dich!
Ha! wie's in meinem Herzen reisst!
Zu neuen Gefuhlen
All meine Sinnen sich erwuhlen!
Ich fuhle ganz mein Herz dir hingegeben!
Du musst! du musst! und kostet es mein Leben!
(Er fasst das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus.
Es zuckt eine rotliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme. )
GEIST:
Wer ruft mir?
FAUST (abgewendet):
Schreckliches Gesicht!
GEIST:
Du hast mich machtig angezogen,
An meiner Sphare lang gesogen,
Und nun-
FAUST:
Weh! ich ertrag dich nicht!
GEIST:
Du flehst, eratmend mich zu schauen,
Meine Stimme zu horen, mein Antlitz zu sehn;
Mich neigt dein machtig Seelenflehn,
Da bin ich!
- Welch erbarmlich Grauen
Fasst Ubermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?
Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf
Und trug und hegte, die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?
Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,
Der sich an mich mit allen Kraften drang?
Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenslagen zittert,
Ein furchtsam weggekrummter Wurm?
FAUST:
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
Ich bin's, bin Faust, bin deinesgleichen!
GEIST:
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Wehe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselndes Wehen,
Ein gluhend Leben,
So schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
FAUST:
Der du die weite Welt umschweifst,
Geschaftiger Geist, wie nah fuhl ich mich dir!
GEIST:
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
(verschwindet)
FAUST (zusammensturzend):
Nicht dir?
Wem denn?
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
(es klopft)
O Tod!