Was traumet Ihr auf Eurer
Dichterhohe?
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
Die Masse konnt Ihr nur durch Masse zwingen,
Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
Gebt Ihr ein Stuck, so gebt es gleich in Stucken!
Solch ein Ragout, es muss Euch glucken;
Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.
Was hilft's, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht?
Das Publikum wird es Euch doch zerpflucken.
DICHTER:
Ihr fuhlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei!
Wie wenig das dem echten Kunstler zieme!
Der saubern Herren Pfuscherei
Ist. merk ich. schon bei Euch Maxime.
DIREKTOR:
Ein solcher Vorwurf lasst mich ungekrankt:
Ein Mann, der recht zu wirken denkt,
Muss auf das beste Werkzeug halten.
Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten,
Und seht nur hin, fur wen Ihr schreibt!
Wenn diesen Langeweile treibt,
Kommt jener satt vom ubertischten Mahle,
Und, was das Allerschlimmste bleibt,
Gar mancher kommt vom Lesen der Journale.
Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,
Und Neugier nur beflugelt jeden Schritt;
Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten
Und spielen ohne Gage mit.
Was traumet Ihr auf Eurer Dichterhohe?
Was macht ein volles Haus Euch froh?
Beseht die Gonner in der Nahe!
Halb sind sie kalt, halb sind sie roh.
Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel,
Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen.
Was plagt ihr armen Toren viel,
Zu solchem Zweck, die holden Musen?
Ich sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr,
So konnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren
Sucht nur die Menschen zu verwirren,
Sie zu befriedigen, ist schwer--
Was fallt Euch an? Entzuckung oder Schmerzen?
DICHTER:
Geh hin und such dir einen andern Knecht!
Der Dichter sollte wohl das hochste Recht,
Das Menschenrecht, das ihm Natur vergonnt,
Um deinetwillen freventlich verscherzen!
Wodurch bewegt er alle Herzen?
Wodurch besiegt er jedes Element?
Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt,
Und in sein Herz die Welt zurucke schlingt?
Wenn die Natur des Fadens ew'ge Lange,
Gleichgultig drehend, auf die Spindel zwingt,
Wenn aller Wesen unharmon'sche Menge
Verdriesslich durcheinander klingt-
Wer teilt die fliessend immer gleiche Reihe
Belebend ab, dass sie sich rhythmisch regt?
Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe,
Wo es in herrlichen Akkorden schlagt?
Wer lasst den Sturm zu Leidenschaften wuten?