Was hab ich nicht schon alles
schaffen
mussen!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
FAUST:
Lass das! Es wird! - Wenn ich empfinde,
Fur das Gefuhl, fur das Gewuhl
Nach Namen suche, keinen finde,
Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,
Nach allen hochsten Worten greife,
Und diese Glut, von der ich brenne,
Unendlich, ewig, ewig nenne,
Ist das ein teuflisch Lugenspiel?
MEPHISTOPHELES:
Ich hab doch recht!
FAUST:
Hor! merk dir dies- Ich bitte dich, und schone meine Lunge-:
Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge,
Behalt's gewiss.
Und komm, ich hab des Schwatzens Uberdruss,
Denn du hast recht, vorzuglich weil ich muss.
Garten
Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend.
MARGARETE:
Ich fuhl es wohl, dass mich der Herr nur schont,
Herab sich lasst, mich zu beschamen.
Ein Reisender ist so gewohnt,
Aus Gutigkeit furliebzunehmen;
Ich weiss zu gut, dass solch erfahrnen Mann
Mein arm Gesprach nicht unterhalten kann.
FAUST:
Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhalt
Als alle Weisheit dieser Welt.
(Er kusst ihre Hand. )
MARGARETE:
Inkommodiert Euch nicht! Wie konnt Ihr sie nur kussen?
Sie ist so garstig, ist so rauh!
Was hab ich nicht schon alles schaffen mussen!
Die Mutter ist gar zu genau.
(Gehn voruber. )
MARTHE:
Und Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort?
MEPHISTOPHELES:
Ach, dass Gewerb und Pflicht uns dazu treiben!
Mit wieviel Schmerz verlasst man manchen Ort
Und darf doch nun einmal nicht bleiben!
MARTHE:
In raschen Jahren geht's wohl an
So um und um frei durch die Welt zu streifen;
Doch kommt die bose Zeit heran,
Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen,
Das hat noch keinem wohlgetan.
MEPHISTOPHELES:
Mit Grausen seh ich das von weiten.
MARTHE:
Drum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten.
(Gehn voruber. )
MARGARETE:
Ja, aus den Augen, aus dem Sinn!
Die Hoflichkeit ist Euch gelaufig;
Allein Ihr habt der Freunde haufig,
Sie sind verstandiger, als ich bin.
FAUST:
O Beste! glaube, was man so verstandig nennt,
Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.
MARGARETE:
Wie?
FAUST:
Ach, dass die Einfalt, dass die Unschuld nie
Sich selbst und ihren heil'gen Wert erkennt!