Hier ist ein
Flaschchen!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,
Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
Und halt ihn fur einen Schelm dazu!
Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu!
FAUST:
Es muss auch solche Kauze geben.
MARGARETE:
Wollte nicht mit seinesgleichen leben!
Kommt er einmal zur Tur herein,
Sieht er immer so spottisch drein
Und halb ergrimmt;
Man sieht, dass er an nichts keinen Anteil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Dass er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird's so wohl in deinem Arm,
So frei, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnurt mir das Innre zu.
FAUST:
Du ahnungsvoller Engel du!
MARGARETE:
Das ubermannt mich so sehr,
Dass, wo er nur mag zu uns treten,
Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch, wenn er da ist, konnt ich nimmer beten,
Und das frisst mir ins Herz hinein;
Dir, Heinrich, muss es auch so sein.
FAUST:
Du hast nun die Antipathie!
MARGARETE:
Ich muss nun fort.
FAUST:
Ach kann ich nie Ein Stundchen ruhig dir am Busen hangen
Und Brust an Brust und Seel in Seele drangen?
MARGARETE:
Ach wenn ich nur alleine schlief!
Ich liess dir gern heut nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schlaft nicht tief,
Und wurden wir von ihr betroffen,
Ich war gleich auf der Stelle tot!
FAUST:
Du Engel, das hat keine Not.
Hier ist ein Flaschchen!
Drei Tropfen nur In ihren Trank umhullen
Mit tiefem Schlaf gefallig die Natur.
MARGARETE:
Was tu ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
FAUST:
Wurd ich sonst, Liebchen, dir es raten?
MARGARETE:
Seh ich dich, bester Mann, nur an,
Weiss nicht, was mich nach deinem Willen treibt,
Ich habe schon so viel fur dich getan,
Dass mir zu tun fast nichts mehr ubrigbleibt.
(Ab. )
(Mephistopheles tritt auf. )
MEPHISTOPHELES:
Der Grasaff! ist er weg?
FAUST:
Hast wieder spioniert?
MEPHISTOPHELES:
Ich hab's ausfuhrlich wohl vernommen,
Herr Doktor wurden da katechisiert;
Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen.
Die Madels sind doch sehr interessiert,
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.
FAUST:
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
Wie diese treue liebe Seele
Von ihrem Glauben voll,
Der ganz allein
Ihr seligmachend ist, sich heilig quale,
Dass sie den liebsten Mann verloren halten soll.
MEPHISTOPHELES:
Du ubersinnlicher sinnlicher Freier,
Ein Magdelein nasfuhret dich.