FAUST:
Wenn aus dem schrecklichen Gewuhle
Ein suss bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefuhle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhohle
Mit Blend- und Schmeichelkraften bannt!
Wenn aus dem schrecklichen Gewuhle
Ein suss bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefuhle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhohle
Mit Blend- und Schmeichelkraften bannt!
Goethe - Faust- Der Tragödie erster Teil
FAUST:
In jedem Kleide werd ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fuhlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewahren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf,
Ich mochte bittre Tranen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht einen Wunsch erfullen wird, nicht einen,
Der selbst die Ahnung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Die Schopfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muss ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich angstlich auf das Lager strecken;
Auch da wird keine Rast geschenkt,
Mich werden wilde Traume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen;
Der uber allen meinen Kraften thront,
Er kann nach aussen nichts bewegen;
Und so ist mir das Dasein eine Last,
Der Tod erwunscht, das Leben mir verhasst.
MEPHISTOPHELES:
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
FAUST:
O selig der, dem er im Siegesglanze
Die blut'gen Lorbeern um die Schlafe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
In eines Madchens Armen findet!
O war ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzuckt, entseelt dahin gesunken!
MEPHISTOPHELES:
Und doch hat jemand einen braunen Saft,
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
FAUST:
Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust.
MEPHISTOPHELES:
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst.
FAUST:
Wenn aus dem schrecklichen Gewuhle
Ein suss bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefuhle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhohle
Mit Blend- und Schmeichelkraften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung
Womit der Geist sich selbst umfangt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drangt!
Verflucht, was uns in Traumen heuchelt
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sei Mammon, wenn mit Schatzen
Er uns zu kuhnen Taten regt,
Wenn er zu mussigem Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener hochsten Liebeshuld!
Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
GEISTERCHOR (unsichtbar):
Weh! weh!
Du hast sie zerstort
Die schone Welt,
Mit machtiger Faust;
Sie sturzt, sie zerfallt!
Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
Wir tragen
Die Trummern ins Nichts hinuber,
Und klagen
Uber die verlorne Schone.
Machtiger
Der Erdensohne,
Prachtiger
Baue sie wieder,
In deinem Busen baue sie auf!